this post was submitted on 26 May 2025
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Dann sollte man aus meiner Sicht den ganzen Art. 20 betrachten.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Die Gewalt dient also dazu, die demokratische und soziale staatliche Ordnung zu schützen. Die Gewalt geht vom Volke aus. Alles andere sind nur Organe der Ausübung. Diese stehen selbstverständlich damit auch in der Kritik des Volkes. Die Exekutive ist an Recht und Gesetz gebunden. Dass die Polizei sich vielfach nicht daran hält, und dann oftmals von der Justiz systematisch geschützt wird, ist denke ich hinlänglich bekannt.
Und wenn jemand im Begriff ist, diese Ordnung zu beseitigen, gibt es ein Recht auf Widerstand, vorausgesetzt andere Mittel sind nicht verfügbar.
Diese Polizeien als Institutionen abzulehnen ist erstmal keine Ablehnung des Grundgesetzes. Dabei sind diese Polizeien auch nicht der Anfang und das Ende, sondern nur ein Teil der Organe, die die Staatsgewalt für das Volk in Vertretung ausübt. Schließlich ist ein ACAB Shirt ein deutlich milderes Mittel, um gegen die Angriffe auf die grundgesetzlich festgeschriebene Ordnung vorzugehen, als z.B. Polizeiwachen in die Luft zu sprengen, wenn die dortigen Polizisten von Nazis unterwandert sind.
Damit muss man im Sinne der Grundgesetzes erstmal klären, ob die Ordnung überhaupt noch besteht, ob Angriffe auf diese Ordnung stattfinden, ob sich die Polizeien an Recht und Gesetz halten und wenn nicht, ob die Ablehnung dieser Institutionen dann nicht sogar der Verteidigung des Grundgesetzes gegen seine Feinde dient.
Richtig! Allerdings würde ich sehr auf das "nur" in diesem Satz achten. Die logische Reihenfolge ist in Art. 20 klar aufgezeichnet: die Staatsgewalt geht vom Volk aus, welches diese durch Wahlen und Abstimmungen ausübt. Weiterhin wird diese Staatsgewalt, stellvertretend und legitimiert durch die Ausübung der Staatsgewalt des Volkes (also Wahlen und Abstimmungen) durch die besonderen Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Die Staatsgewalt in Form von diesen besonderen Organen der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung gehen also ebenfalls vom Volk aus (vgl. die Eingangsformel bei Urteilen vor Gerichten "Im Namen des Volkes"). Insofern könnte man das "nur" auch in einer hierarchisch abstufenden Art verstehen, die mMn so nicht gegeben ist.
Kritik? Ich würde eher sagen, unter der Kontrolle des Volkes, von dem als Souverän letztendlich die o.g. Staatsgewalt ausgeht.
Und da kommen wir an einen ganz entscheidenden Punkt. Die Frage wäre hier, ob es tatsächlich gegeben ist, dass a) die Organe der vollziehenden Gewalt und/oder der Rechtsprechung sich nicht länger unter der Kontrolle und Legitimierung des Souveräns, also des Volkes, befinden und ob b) die Organe der vollziehenden Gewalt und/oder der Rechtsprechung sich tatsächlich anschicken, gem Art. 20 (4), diese Ordnung zu beseitigen. Hier wäre das wohl insbesondere Art. 20 (3), diese Organe müssten sich also systematisch nicht mehr an Gesetz und Recht gebunden sehen.
Hypothetisch angenommen, b) wäre in der Tat zweifelsfrei gegeben, wir hätten also eine Exekutive/Judikative, die sich offensichtlich nicht länger an Gesetz und Recht gebunden sehen, wie sähe es dann mit a) aus? Sind wir als Souverän tatsächlich in einer Situation, in der wir diese Organe nicht kontrollieren können und wir sie nicht mehr legitimiert haben? Die Ergebnisse der letzten Bundestagswahl zeigen einen wahnsinnig hohen Rückhalt für Positionen rechts der Mitte und selbst wenn man die Nazis der AfD als eindeutige Verfassungsfeinde unter den Tisch fallen lässt, ist Merz' Truppe ganz klar populärste Kraft. Natürlich wird es niemals Recht, wenn sich Polizei oder Gerichte über das Gesetz hinwegsetzen, umgekehrt ist die Legitimation einer im Sinne der Union starken Exekutive erheblich stärker als man es als Gegner dieser Positionen vielleicht gerne denken möchte. Das sage ich als jemand, der zwar ACAB nicht unterschreiben würde, aber sich in Bayern mitunter wie in einem Polizeistaat vorkommt.
Ja, schwierig. Die Institution Polizei an sich abzulehnen, ist für mich, da sie eben in der Architektur des Art. 20 implizit beschrieben wird, schon ein bisschen auch eine Ablehnung des Grundgesetzes. Art. 20 (3) spricht von der vollziehenden Gewalt. Lehne ich diese ab, lehne ich die Ordnung ab und befinde mich demnach letztlich konsequenterweise in Konflikt mit Art. 20 (4).
Da kommen wir wieder zu Art. 20 (2). Die Staatsgewalt geht vom Volke in Form von Wahlen und Abstimmungen aus. Erst wenn mindestens die o.g. Zustände a) und b) gegeben wären, käme der in deinem Satz durchscheinende Art. 20 (4) in Betracht. Wie gesagt würde ich jedoch mindestens den Zustand a) bezweifeln, denn die Tatsache, sich gegenüber Law-and-Order-Fans, die entsprechende Parteien wählen, in der Minderheit wiederzufinden, ist zwar deprimierend, reicht allein aber nicht zur Feststellung, dass die Staatsgewalt vom Volke nicht länger durch Wahlen und Abstimmungen ausgeübt wird und sich diese Organe nicht mehr durch die Staatsgewalt des Volkes legitimiert sehen.
Richtig. Das müsste geklärt werden.
Ich stimme dir in allem zu, möchte aber eine Sache als Nuance geben. Die vollziehende Gewalt ist nicht nur die Polizei. Die vollziehende Gewalt sind genauso die Ämter, Verwaltungen, Regierungen, Dienste...
D.h. eine Ablehnung der Polizei bedeutet nicht eine pauschale Ablehnung der Exekutive insgesamt. Wenn jemand z.B. meint alle Bürgerämter müssten abgeschafften werden, oder meinetwegen die Finanzämter, würden wohl deutlich weniger Leute auf die Idee kommen, dass als verfassungsfeindlich zu kritisieren. Um das Gewaltmonopol auszuüben könnte man auch andere Institutionen als die Polizei schaffen, die Art. 20 erfüllen.
Das stimmt! Ich denke halt, dass zu den Funktionen, die die vollziehende Gewalt ausüben muss, auch diese gehört, die die Polizei ausübt. Jedes dieser "Organe" der vollziehenden Gewalt erfüllt einen Teilaspekt des Ganzen.
Letztendlich ist es das aber latent. Du siehst das ja im Extremen bei den Reichsbürgern, die mit dem gesamten Staat auch die Organe ablehnen, keine Steuern zahlen wollen etc, sondern nur auf "das Volk" schauen möchten. Diese Organe, so sehr mich manche Aspekte davon auch persönlich nerven, sind aber die demokratisch legitimierten Ergebnisse unserer ausgeübten Staatsgewalt. Ein Finanzamt ist nicht vom Himmel gefallen, wir haben es uns, im Rahmen unserer verfassungsmäßig ausgeübten Staatsgewalt, selbst gegeben und seitdem immer wieder demokratisch legitimiert. Gleiches gilt für die Polizei. Natürlich ist ein Reichsbürger in seiner Absurdität ein absolutes Extrembeispiel und ich will das ganz sicher nicht qualitativ gleichsetzen, aber ist der Impuls nicht ein ähnlicher, wenn man Teilen der Architektur unseres Staates die Legitimation abspricht, obwohl sie im Rahmen unserer Staatsgewalt durch uns demokratisch geschaffen und legitimiert wurde? Wie gesagt, der Reichsbürger ist auf dieser Skala am absoluten Anschlag, während ein ACAB da vielleicht gerade zart ausschlägt, aber ich finde in der Bereitschaft, grundsätzlich so zu denken, liegt eine Gefahr. Das heißt im Übrigen keinesfalls, dass man alles von der Polizei super gut finden muss. Kritik und Kontrolle muss so hart wie nötig sein und es gibt vieles zu verbessern. Ich wünschte mir nur, dass das in einer Art stattfinden könnte, die nicht in einer pauschalen Ablehnung dieses Organs an sich mündet.
Wäre das nicht ein reines Umlabeln? Darum habe ich ja eingangs gefragt, worum es jemanden aus dem Lager ACAB wirklich geht: die spezifische Behörde "Polizei" oder die Ausübung des Gewaltmonopols mit allen inherenten Problemen.